Zum Hauptinhalt springen

Observatório da Democracia

Bericht über Privatisierungen – Juni 2019

Die Privatisierung von Petrobras ist eines der Ziele der Wirtschaftspolitik der Regierung Guedes/Bolsonaro. Ein Weg zur Erreichung dieses Ziels führt über den Verkauf von Tochtergesellschaften von Petrobras und weiterer Geschäftsfelder des Unternehmens. Gleich nach Amtsantritt verkündete Guedes seinen Plan zum Rückbau des staatlichen Sektors.

Die Umsetzung des Regierungsplans verzögerte sich in Folge verfassungsrechtlicher Einsprüche, die sich darauf stützen, dass der Verkauf staatlicher Unternehmen sowie deren Tochtergesellschaften der Zustimmung des Nationalkongresses bedarf.

Anfang Juni verhandelte der Bundesgerichtshof die Klage und entschied mit der Mehrheit der Richter, dass der Verkauf der Tochtergesellschaften nicht der Zustimmung des Kongresses, sondern nur der Muttergesellschaft, bedürfe.

Daraufhin verkaufte Petrobras 90% seiner Anteile für R $ 35 Milliarden an die TAG (Transportadora Associada de Gás SA), ein Konsortium aus der Engie und dem kanadischen Fonds Caisse de dépôt et placement du Québec (CDPQ). Es handelt sich um die bisher größte Finanztransaktion von Petrobras-Vermögenswerten.

Nach Vollzug des Verkaufs der TAG hat die Regierung weitere Privatisierungen angekündigt.

Vom National Energy Policy Council (CNPE) wird im Amtsblatt des Bundes vom 25. Juni ein Privatisierungsprogramm unter dem Namen "Der neue Gasmarkt" veröffentlicht, das den Verkauf nationaler Unternehmen unter der Kontrolle des Bundes und der Länder aus den Bereichen des Transports und der Verteilung von Gas vorsieht. Dazu muss man wissen, dass Petrobras Aktienanteile an allen Gaspipelines des Landes besitzt und Mitgesellschafter in 19 der insgesamt 27 Vertriebsgesellschaften Brasiliens ist.

Das Programm zur Schaffung eines "wettbewerbsfähigen Gasmarktes" fordert im Artikel 3 der Leitlinien von dem auf dem nationalen Gassektor führenden Unternehmen, eine vollständige Veräußerung der Anteile, die es direkt oder indirekt an Transport- und Vertriebsunternehmen hält.

Kritische Analyse

Die TAG verfügt über ein Rohrleitungsnetz von 45.000 km mit einem Lieferumfang von 74 Millionen Kubikmetern Gas pro Tag. Um das Erdgas zu transportieren, wird Petrobras zukünftig von den vertraglichen Forderungen der privatwirtschaftlichen Vertriebsstrukturen abhängig sein.

Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass eine beim Verkauf der TAG ausgehandelte Bedingung darin besteht, dass Petrobras die Zahlungen für den Transport seines Erdgases auf Basis der vereinbarten Pauschalmengen, d. h. unabhängig von den tatsächlichen Transportmengen, zu leisten hat. Also, auch wenn kein Erdgas transportiert wird, zahlt Petrobras.

Darüber hinaus wird die gesamte Gasmenge, die auf dem großen Erdgasfeld in Sergipe gefördert wird - schätzungsweise 20 Millionen m³ pro Tag oder 30% der gesamten nationalen Produktion - zukünftig über die privatisierten Pipelines an das internationale Konsortium geliefert.

Somit wird der Gasmarkt nicht mehr von einem nationalen staatlichen Unternehmen, sondern von einem multinationalen Monopol, das die gesamte Transportinfrastruktur übernommen hat, kontrolliert werden. Da als Gegenleistung keinerlei Ausbau der vorhandenen Infrastruktur durch die Vertragspartner vereinbart wurde, wird Petrobras von dem einem multinationalen Konzern abhängig sein, um sein produziertes Gas transportieren und verkaufen zu können.

Nach Schätzungen wird Petrobras nach drei Jahren Zahlungen für die Nutzung der TAG-Pipelines an das Konsortium, all das Geld ausgegeben haben, das es für den Verkauf seiner Anteile einst erhalten hatte.

Der Verkauf der TAG und die neue Politik für den Gasmarkt machen wirtschaftlich keinen Sinn, weder im Bezug auf die Senkung der Verbraucherpreise, noch einer Optimierung der Infrastruktur.

Die Folgen dieser Politik sind vielmehr der Ausverkauf nationalen Vermögens, eine Entnationalisierung der Gasförderung und die weitere Schwächung der Petrobras. Zukünftig wird die Tätigkeit des Unternehmens ausschließlich auf die Förderung und Produktion beschränkt bleiben. Damit wirken sich weltweite Ölpreisschwankungen viel stärker für die Petrobras aus, da man nicht mehr über die Ressourcen verfügen wird, um die Verluste in anderen Bereichen der Geschäftskette ausgleichen zu können.

Der Verkauf der TAG und die neue Politik für den Gasmarkt sind nicht nur aus wirtschaftlichen Sicht nachteilig, sondern auch rechtlich anfechtbar.

Trotz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, den Verkauf von Tochtergesellschaften ohne Genehmigung des Nationalkongresses für rechtmäßig zu erklären, bleibt diese Transaktion verfassungswidrig, da sie entgegen der Prinzipien des Artikels 37 des Grundgesetzes erfolgte, der Transparenz bei Aktionen seitens der der öffentlichen Hand fordert. Es fand kein öffentliches Verfahren bei Bewertung und Verkauf der Aktienanteile von Petrobras statt.

Ebenso widerspricht der Verkauf dem Prinzip der Effizienz, da der Verkaufserlös geringer als der Nettogewinn des Unternehmens im Verlaufe von 5 Geschäftsjahren war.

Auch fand keinerlei Versteigerung, nicht einmal ein vereinfachtes Bieterverfahren, statt.

Der Ausschluss von Petrobras aus dem Vertriebs-und Transportsektor des Gasmarktes ist nur eine von vielen Maßnahmen zur Zerstückelung und Privatisierung des gesamten staatlichen Sektors.

Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Roberto Castello Branco, kündigte bereits die Trennung von einer weiteren Tochtergesellschaft an, der BR Distribuidoras, die für Vertrieb und Transport von Brennstoffen zuständig ist. Die Zerstückelung des staatlichen Sektors geht weiter.

Übersetzer: Gert Peuckert